Zeit der Gegenkultur
Die rebellischsten Film-Cops der 1960er und 1970er
Mafia III spielt inmitten einer Zeit des Aufbruchs, der Rebellion und nonkonformen Massenbewegungen. Angesiedelt in New Bordeaux, einem fiktiven New Orleans, im Jahre 1968 findet das Spiel vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und kultureller Umbrüche statt. Diese als Gegenkultur der 1960er bekannt gewordene Zeit, die bis in die Mitte der 1970er reichte, veränderte auch das Kino grundlegend.
Regisseure wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und William Friedkin begründeten mit der New Wave in den USA, auch bekannt als New Hollywood, eine rebellische, vom konventionellen Studiobetrieb losgelöste Form des Filmemachens, die sich neue Erzählweisen erschloss.
Der Ausdruck dieser ästhetischen Rebellion ließ sich auch in einer Reihe von Kriminalfilmen beobachten, die mit kantigen Polizeifiguren aufwarteten. Der Geist des Widerstandes äußerte sich dabei in vielen Gesichtern.
Anpassung an eine Welt ohne Werte
Clint Eastwood als Dirty Harry aus dem Jahre 1971 ragt als eines der einprägsamsten Vertreter eines nonkonformen Polizisten heraus. Als schonungsloser, zynischer Detektiv des San Francisco Police Department manifestierte sich in seiner unmoralischen Vorgehensweise jene Wertelosigkeit einer um sich greifenden Kriminalität, die zu jener Zeit charakteristisch war. Die Frage, ob ein verrohtes System jedes noch so brutale Mittel legitimiert, ist nicht nur seit Dirty Harry eine stets präsente Frage in modernen Gesellschaften.
Einen ähnlich ruppigen Typus Mensch verkörpert auch Gene Hackman im 1974 erschienenen Cop-Thriller The French Connection von William Friedkin. Impulsiv, explosiv und geradezu obsessiv geht Detektiv Doyle einem Fall um ein Heroin-Syndikat nach. Moralische Barrieren scheint der launische, getriebene Polizist dabei nicht zu kennen. Diese Grenzenlosigkeit schlägt sich auch in Friedkins famoser Inszenierung wieder. Sein Film ist von einer physischen Härte und einem Realismus, die ihren Höhepunkt in einer minutenlangen Verfolgungsjagd finden, in der er New York als kaltes, raues und dreckiges Pflaster inszenierte – ein deutlicher Gegenentwurf zu den auf Hochglanz getrimmten Studiofilmen vor der New Wave Hollywoods.
Die wertelosen Figuren sind als Produkt und Ausdruck ihrer Zeit in Filmen wie Dirty Harry Teil des Systems, da sie sich lediglich ans selbige anpassen. Verräter finden sich zwangsläufig außerhalb desselben wieder, da sie gegen Strukturen vorgehen und sie zu ändern versuchen. Al Pacino trifft in der Rolle eines idealistischen, temperamentvollen Polizisten in Sidney Lumets Serpico (1973) auf die Missstände eines gewalttätigen, korrupten Polizeiapparats, der sich bis in die hohe Politik zieht. Gemeinsam mit der Presse wagt er den Aufstand.
Als Personifikation des Idealisten, dessen Kampfeswille sich in den Verletzungen nach einem blutigen Einsatz widerspiegelt, steht er bis zum Schluss für seine Werte und Moral ein. Mit Verbitterung, aber doch noch Hoffnung in sich tragend, lehnt er seine langersehnte Beförderung zum Detektiv ab. Al Pacinos Figur als Parabel des Zwiespalts zwischen rebellischem Idealismus und Aufgabe, der seine zeitlose Aktualität als Whistleblower im "NSA-Verräter" Edward Snowden findet und sich dabei immer um die Frage dreht, ob ein Verrat im Angesicht brisanter Umstände legitim ist.
Die Dekonstruktion des für seine Überzeugungen kämpfenden Detektivs begeht Roman Polanski in seinem Film Noir Chinatown (1974). Er kreiert eine Welt ohne Hoffnung, in der Ideale chancenlos der Wucht düsterer Machenschaft gegenüberstehen. Jack Nicholson macht sich unter Lebensgefahr nicht nur an die Aufklärung eines Mordfalles unter sengender kalifornischer Sonne. Das sommerliche Idyll des Handlungsortes fungiert gleichzeitig als Fassade eines Systems, das über Leichen geht. Polanski lässt seinen Helden scheitern und damit jeden Ausblick auf eine bessere Welt. Der Widerstandskämpfer als Verlierer, der am Nihilismus zerbricht.
Zwischen Schwarz und Weiß und der Rebellion der Liebe
Nur drei Jahre nach dem Civil Rights Act zur Gleichstellung afroamerikanischer Mitbürger mischte Sidney Poitier im Film In der Hitze der Nacht (1967) in der Rolle eines aus dem Norden stammenden Ermittlers den rassistischen Süden auf. Er wagte nicht nur innerhalb der Fiktion des Films den grenzenübergreifenden Affront zwischen Schwarz und Weiß. Mit seinen fünf Oscars gilt der Film selbst unter dem Eindruck eines immer öffentlicher werdenden Fremdenhasses als gesellschaftshistorischer Monolith des Kampfes gegen Grenzen und für Gerechtigkeit.
Drei Worte tragen in einer Welt, in der Gefühle und jeder mit ihnen in Zusammenhang stehender Begriff verboten sind, ähnlich großes Gewicht. "Ich liebe dich" als Ausdruck des Triumph über die Kälte einer Großstadt, in der Emotionen keinen Platz haben. Jean-Luc Godard inszenierte mit dem Noir-Science-Fiction-Film Alphaville (1965) die Parabel einer unmenschlichen und entfremdeten Gesellschaft, in der Maschinentum die Menschlichkeit abgelöst hat. Als sich seine Hauptfigur, Privatdetektiv Lemmy Caution, in eine Frau ohne Vorstellung von Liebe und Bewusstsein verliebt, deckt Godard den Kern einer jeden humanistisch motivierten Rebellion auf. Denn was treibt einen Menschen am ehesten an, sich im Hoffen auf Veränderung zu opfern? Was, wenn nicht die Liebe?
2K Games schiebt sich mit Protagonist Lincoln Clay in Mafia III an, dem Widerstand der Gegenkultur in einer Figur zu vereinen. Als gemischtrassiger Waise und mit Erinnerungen an seinen Einsatz im Vietnamkrieg wurzelt in ihm ein gesellschafts-kultureller Kampf und Konflikt. Und der Keim der Rebellion.